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fabianbendlin

Alphubel Rotgrat - mit ganz besonderer Abstiegsroute

Die Hochtouren Saison 2024 ist so gut wie schon seit Jahren nicht mehr - vermutlich so gut wie noch nie in meiner Zeit als Alpinist. Ein langer Winter in der Höhe mit viel Niederschlag auch im Frühjahr und ein Sommer mit viele auch längeren Kälteperioden hat dazu geführt, dass die Gletscher und auch die Gletscherspalten mit einer dicken Schneedecke bedeckt sind. Diese wurde immer wieder mit Neuschnee in hohen Lagen gestärkt und ist durch die niedrigen Temperaturen in der Nacht auch im Juli noch hart, stabil und sehr tragfähig. Das trifft sich super, denn es ist meine erste Saison als Bergführeraspirant und damit als praktizierender Aspirant. Das motiviert dann viel zu üben und Dinge auch auf meiner bucket list auszuprobieren. Zum Beispiel mit dem Tandemgleitschirm von einem 4000er runterzufliegen.


Diese Idee ist ja eine schon etwas ältere bei mir. Der Gedanke den Abstieg bei einer Hochtour einfach zu überspringen ist mehr als verlockend. Keine Mühe, keine Hitze, keine Gefahren durch Steinschlag oder Spaltensturz im von der tageszeitlichen Erwärmung aufgeweichten Schnee, keine stundenlange Odyssee und das Ganze dann auch noch getauscht gegen einen Flug über die Gletscher und die vorher erklommene Tour. Aus einer einzigartigen Perspektive zurückblicken auf den Gipfel, der gerade noch der letzte Pause Platz war und eine Viertelstunde später im Tal stehen...was für ein Traumgedanke!


Letzten Woche war es dann soweit. Das Wetter war stabil, sonnig und schwachwindig vorhergesagt und passenderweise hat mich genau am Anfang der Woche Peter gefragt, ob ich Lust auch eine Hochtour haben. Aber sicher! Und ich habe auch noch einen guten Plan. Peter spielt auch ernsthaft mit dem Gedanken die Bergführerausbildung zu starten. Und auch das Gleitschirmfliegen reizt ihn. Perfekt! Die Tour, die mir äußerst geeignet erscheint, ist der Rotgrat am Alphubel. Warum?


  • Viel Kletterei

  • Niedrige Übernachtung (keine Akklimatisation vorneweg nötig)

  • Weites, flaches Startgelände am Gipfel

  • Offizieller Landplatz in Täsch (Ausgangsort mit Bahnhof)


Der Rotgrat mit viel potentiellem Startgelände am Gipfel

Weshalb also noch zögern? Am Mittwoch Nachmittag treffe ich mich mit Peter im Zug nach Täsch. Wir verkürzen den Zustieg mit dem Zubringertaxi von der Touristeninfo Täsch (15 CHF) und steigen eine Stunde zur gemütlichen, schön gelegenen Täschhütte zu. Im Gepäck: Hochtourenausrüstung und die leichteste, auf dem Markt erhältliche Gleitschirm Tandemausrüstung mit insgesamt 5 kg. Irre! Unsere Rucksäcke wiegen demnach in etwa 12 kg, was noch wirklich akzeptabel ist.



Die idyllisch gelegene Täschhütte

Nach einem gemütlichen Hüttenabend und eher kurzen Nacht starten wir um 4 Uhr morgens als einzige Seilschaft zum Rotgrat. Der Zustieg ist gut zu finden und die ersten Klettermeter im Morgenlicht sind einfach, aber ein Genuss. Der Wyssgrat ist nicht schwer zu klettern, aber Absturzgelände, weshalb hier schon höchste Konzentration gefragt ist. Der Aufschwung zum Zusammenschluss von Wyssgrat und Rotgrat ist eher ein Schutthalde und Gehgelände. Oben auf der Gratschneide angekommen geht es wieder in einfacher Kraxelei, abwechselnd mit Schnee eher flach weiter in Richtung Headwall.


Erste Klettermeter im Dunkeln


Sonnenaufgang am Matterhorn (links) und Weisshorn (rechts)




Als unser Tag gerade 5 Stunden alt ist stehen wir vor der eigentlichen, 300 Meter hohen Kletterei. Ab hier wird in Seillängen geklettert. Die Wegfindung ist nicht leicht, aber am Anfang führen ein paar Bohrhaken nach rechts, danach geht es immer dem sinnvollsten Weg am Grat entlang hinterher. Eine tolle Kulisse bietet sich: dominante Quarzbänder in rotem Granit (daher der Name) und immer eine atemberaubende Aussicht auf das Matterhorn und das Weisshorn. Nach 3 Stunden Kletterei und Sichererei steigen wir auf den schmalen Firngrat aus, der uns die letzten Meter zum Gipfel führt.

Schöne Kletterei mit Aussicht

Ein dickes Quarzband im Hintergrund


Auf den letzten Metern habe ich bereits die Nase in den Wind gehalten und den Blick nach oben zum angedachten Startplatz schweifen lassen, natürlich mit dem einem Hintergedanken: "Können wir starten?" Ja können wir! Der Startplatz ist geräumig, flach und dann immer steiler werdend abfallend. Der Wind kommt etwas stärkerer, aber noch mit guter Geschwindigkeit von vorne...die Aufregung steigt.



Um unser Startfenster nicht zu verpassen machen wir nur einen kurzen Abstecher zum Gipfel um dann am ausgewählten Startplatz den Flug vorzubereiten. Klettergurte und Steigeisen aus, Gurtzeuge an und alles übrige in die Rucksäcke verstaut. Nun wird es ernst. Es ist garnicht so leicht Passagier, Pilot und Schirm zusammenzuhängen, während ich den Schirm gegen den Wind am Boden halte. Bald schon sind wir startbereit. Alles passt, alles ist gecheckt. Los geht's!



Da es in Worten eh nicht ausreichend zu beschreiben ist, muss ich hier jetzt Bilder sprechen lassen. Aber soviel soll gesagt sein: Es ist eine ganz besondere Genugtuung von oben auf den gerade erst bekletterten Grat zu blicken, der nun ganz klein ausschaut, die Kulisse der Zermatter Berge aus der Luft zu genießen und nach 20 Minuten nach der sicheren Landung aus dem Tal hoch zum Gipfel und Startplatz zu blicken.








Was für ein außergewöhnliches Privileg und Erlebnis!


Jetzt bin ich hochmotiviert für mehr von diesen ganz besonderen Abstiegen. Und es gibt an fast jedem Berg die Möglichkeit für einen Start. Ein paar sind direkt drum rum daheim:


  • Täschhorn - Dom

  • Rimpfischhorn

  • Allalinhorn

  • Weissmies

  • Quasi die ganz Monterosegruppe (Breithorn,

    Pollux, Castor,

    Lysskamm, Signalkuppe)

  • Bishorn/Weisshorn

  • Mönch und Jungfrau

  • Grand Combin

  • Piz Bernina und Palü

  • Ortler

  • Mont Blanc

  • und

  • und

  • und


Die Liste geht lange, lange weiter und das waren jetzt nur die Parade-Berge. Es gibt noch eine Menge Geheimtipps, bei denen vor allem die Abstiege es sehr wert sind ausgelassen zu werden. Falls du Lust hast bei einem solchen Abenteuer dabei zu sein - egal, ob als Passagier oder Pilot, dann lass es mich wissen :)

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